Peter Dirksmeier: Urbanität als Habitus. Zur Sozialgeographie städtischen Lebens auf dem Land. Bielefeld 2009. 296 S.

Die Publikation von Peter Dirksmeier befasst sich mit der These von der mehr oder minder vollständigen Urbanisierung der Gegenwartsgesellschaften in entwickelten Ländern. Die Ubiquität städtischer Lebensweisen ist in der jüngeren Vergangenheit wiederholt thematisiert worden, etwa im Kontext der Diskussion um eine postmoderne Urbanisierung; sie wurde neben anderen Autoren beispielsweise von Soja (2000) sehr dezidiert vertreten.

Ulrich Päßler (Hg.): Alexander von Humboldt und Carl Ritter. Briefwechsel. Unter Mitarbeit von Eberhard Knobloch. Berlin (= Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung 32) 2010. 320 S.

Jüngst schrieb Iris SCHRÖDER in ihrer für die Geschichte der Geographie bedeutenden Habilitationsschrift „Das Wissen von der ganzen Welt“, Paderborn 2011, S. 305, Anm. 166, dass der hier zu besprechende Band mit dem Briefwechsel Alexander von Humboldts und Carl Ritters zeige, „wie unangemessen es wäre, die methodischen Ansätze“ beider „als zwei gegensätzliche Modelle aufzufassen“ (Schröder 2011, S. 305). Auch der Herausgeber des Briefwechsels konstatiert einleitend ein „ähnliches Selbstverständnis“ Ritters und von Humboldts, die beide dem „Fortschrittsoptimismus“ (S. 14) ihres Jahrhunderts verpflichtet gewesen seien.

Ian Scoones, Nelson Marongwe, Blasio Mavedzenge, Jacob Mahenehene, Felix Murimbarimba & Chrispen Sukume: Zimbabwe's Land Reform. Myths and Realities. Oxford 2010. 288 S.

Ab dem Jahr 2000 sorgten die politisch motivierten und oft mit Brachialgewalt durchgeführten Landenteignungen von Großfarmern in Simbabwe weltweit für Proteste. Etliche Menschenrechtsorganisationen dokumentierten die fatalen Folgen insbesondere für die FarmarbeiterInnen. Wirtschaftsexperten zeigten die mittel- und langfristig negativen ökonomischen Auswirkungen auf. In eine ganz andere Richtung argumentieren die Autoren des hier zu besprechenden Buches. Ausgangspunkt ihrer Darstellung ist die These, dass viele Berichte auf Mythen und nicht auf Tatsachen basierten. Zudem verwenden sie den neutralen Begriff "Landreform" und streichen in acht der insgesamt elf Kapitel insbesondere deren positive Folgen heraus. Empirische Grundlage der Untersuchung sind 120 Interviews in vier unterschiedlichen agrar-ökologischen Zonen der Masvingo-Provinz im Südosten des Landes.

Reiner Braun, Fritz Brickwedde, Thomas Held, Eberhard Neugebohrn und Ole von Uexküll (Hg.): Kriege um Ressourcen. Herausforderungen für das 21. Jahrhundert. München 2009. 261 S.

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die Deutsche Stiftung Friedensforschung, die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen und die Right Livelihood Award Foundation, die jährlich den Alternativen Nobelpreis vergibt, führten im September 2007 die Veranstaltungsreihe "Energie, Ressourcen und Frieden" durch. In diesem Zusammenhang entstand der vorliegende Sammelband, der von den Geschäftsführern der vier Stiftungen und dem Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler Reiner Braun herausgegeben wurde.

Benno Werlen: Gesellschaftliche Räumlichkeit 1. Orte der Geographie. Stuttgart 2010.
334 S.
Benno Werlen: Gesellschaftliche Räumlichkeit 2. Konstruktion geographischer Wirklichkeiten. Stuttgart 2010. 362 S.

Benno Werlen stellt mit dem Werk "Gesellschaftliche Räumlichkeit" einen beträchtlichen Teil seines theoriezentrierten Oeuvres neu zusammen, der in Fachzeitschriften und Sammelwerken erschienen ist. Es ist so umfangreich, dass es auf zwei Bände verteilt ist: Band 1 heißt: "Orte der Geographie" und Band 2:"Konstruktion geographischer Wirklichkeiten". Es handelt sich somit nicht um das Opus magnum der Sozialgeographie, sondern um eine persönliche Anthologie aus fast dreißig Jahren Ringen Werlens um die richtige Sozialgeographie.

Marco Hereth: Reurbanisierung durch Reaktivierung? Konversionsflächen als neue Quartiere des Stadtwohnens am Beispiel des Ackermannbogens in München. Bayreuth (Bayreuther Geographische Arbeiten 29) 2010. 94 S.

Mit der Kausalitätsfrage "Reurbanisisierung durch Reaktivierung?" macht Marco Hereth im Titel seiner als Diplomarbeit am Geographischen Institut der Universität Bayreuth entstandenen Arbeit die Zielrichtung der Untersuchung direkt deutlich: Beispielhaft soll das "wirkungsvolle Gefüge" zwischen dem Potential innerstädtischer Brachflächen und dem steigenden Interesse am Stadtwohnen untersucht werden. Damit knüpft die Arbeit an aktuelle Reurbanisierungsdebatten an, legt aber mit der  Untersuchung eines bestimmten Flächentyps als Wanderungsziel einen neuen Schwerpunkt.

Prosper B. Matondi, Kjell Havnevik und Atakilte Beyene (Hg.): Biofuels, Land Grabbing and Food Security in Africa. London 2011. 230 S.

Im Zuge vielfacher, miteinander verschränkter Krisen wie der Energiekrise, der Klimakrise und der Nahrungsmittelpreiskrise sind "Landgrabbing" und Agrartreibstoffe in den letzten Jahren zu aktuellen Themen der wissenschaftlichen und politischen Diskussion geworden. Der aktuelle Band der Reihe "Africa Now", die von dem schwedischen Nordic Africa Institute (NAI) herausgegeben wird, greift diese Debatte auf. Die Herausgeber wollen das "win-win-Paradigma" infrage stellen, demzufolge durch internationale Direktinvestitionen in Land, insbesondere zur Förderung der Agrarkraftstoffproduktion, gleichzeitig der Klimawandel gebremst, die Energiekrise in den Industrie- und Schwellenländern bekämpft sowie Wachstum und Entwicklung für die ärmsten Staaten der Welt gefördert werden könnten.

Thomas Dörfler: Gentrification in Prenzlauer Berg? Milieuwandel eines Berliner Sozialraums seit 1989. Bielefeld 2010. 332 S.

Der Titel der Dissertation von Thomas Dörfler mag bei manchem potentiellen Leser Abwehrreaktionen hervorrufen: eine weitere Studie zu Gentrification-Prozessen in Prenzlauer Berg? Doch - dies sei vorweggeschickt - die Lektüre lohnt! Bevor man jedoch etwas über Gentrification-Prozesse in Prenzlauer Berg erfährt, widmet der Autor beinahe ein Drittel seiner Arbeit der Theoriedebatte über den Spatial Turn und relationale Raumkonzepte in der Humangeographie und den Sozial- und  Geisteswissenschaften.

Jasmin Küspert: Kunsteinrichtungen im ländlichen Raum. Geographische Aspekte künstlerischer Einrichtungen abseits ihrer kernstädtischen Traditionsstandorte. Bamberg (Bamberger Geographische Schriften 25) 2011. 316 S.

Auch wenn der Begriff "Kunsteinrichtungen" im Titel der Arbeit etwas sperrig ist, das, was Jasmin Küspert in ihrer 2008 bei Hans Becker abgeschlossenen Dissertation vorlegt, ist eine gelungene Studie über die Frage, welche Beziehungen zwischen professionellen Konzerten, Betrieb von Theatern und Theateraufführungen, Angeboten der Kunst in Galerien, Kunstausstellungen und an Künstlerwohnsitzen einerseits und dem ländlichen Raum andererseits bestehen.

Axel Borsdorf und Oliver Bender: Allgemeine Siedlungsgeographie. Wien, Köln, Weimar 2010. 459 S.

Der umfassende, weit ausholende Band geht von einem (etwas antiquierten?) "Verständnis des Siedlungsraumes" aus, den die Verfasser "ganz im Sinne der klassischen Siedlungsgeographie als Einheit" auffassen (S. 19). Die entscheidende konzeptionelle Frage ist die nach dem Gelingen der "Wiedervereinigung" der - gerade auch nach den aktuellen Lehrbüchern - international längst getrennten Stadtgeographie und der Geographie der ländlichen Siedlungen (oder des ländlichen Raumes). Die spätere Aussage, dass "im Folgenden die Siedlungsgeographie nicht mehr gegliedert, sondern der Siedlungsraum in seiner Komplexität integrativ dargestellt" wird (S. 34), erscheint schon bei einem Blick auf das Inhaltsverzeichnis kaum als zutreffend: Es überwiegt die eher additive Folge von Strukturelementen/-formen der Städte und ländlichen Siedlungen und von wichtigen historischen wie rezenten siedlungsgeographischen Prozessen.

Domenico Losurdo: Flucht aus der Geschichte? Die russische und die chinesische Revolution heute. Essen 2009. 191 S.

Verf. stellt die beiden revolutionären Prozesse in die fortwirkende Tradition der Emanzipationsbewegung der »Verdammten dieser Erde«, in die Tradition der Französischen Revolution und der ersten proletarischen Revolution, der Pariser Kommune von 1871. Flucht aus dieser Tradition wirft er einer politischen Strömung vor (in Italien z.B. Noberto Bobbio), die aus Verzweiflung und Mutlosigkeit nach dem Umbruch von 1989 in eine Art »Selbsthass der Linken« verfallen und besonders in Europa anzutreffen sei, zumal »der heutige Diskurs vom ›Scheitern‹ grob euro-zentrisch ist« (91).