Ute Luig und Hans-Dietrich Schultz (Hg.): Natur in der Moderne. Interdisziplinäre Ansichten. Berlin 2002 (Berliner Geographische Arbeiten 93). 274 S.

So wie man in seriösen Zeitungen die bunten und überraschenden Meldungen oft auf den letzten Seiten findet, so empfiehlt es sich, diesen Sammelband von hinten zu lesen. Dort trifft man auf einen Artikel über den um 1690 auf Mauritius ausgestorbenen Dodo, einen "Ekelvogel", der heute als "hochverdichtetes, naturschützerisches Symbol" gilt (G. MENTING u. G. HARD), auf eine Abhandlung zum Naturverständnis nomadischer Viehzüchter in der Mongolei (A. WEILER) oder auf einen Beitrag zur "Anthropomorphisierung" von Vulkanen auf dem indonesischen Flores (U. U. FRÖMMING). Diese Fallstudien tragen zur ewigen Diskussion des Naturschutzes, wer was wie schützt, sehr Erhellendes bei, da der Blick auch auf nichteuropäische Blickweisen gerichtet wird.

Rainer Lukhaup: Zur Theorie und Praxis der Einzelhandelszentralität in der Geographie - mit Beispielen aus Südwestdeutschland. Mannheim 2001 (Mannheimer Geographische Arbeiten, Sonderveröffentlichung). 232 S.

Die Diskussion der Messung von Einzelhandelszentralität gilt gegenwärtig vom wissenschaftlichen Anspruch her häufig als "alter Hut". Zwar fehlt das Theoriemodell Christallers in keiner Grundlagenveranstaltung der Humangeographie und ist die Darstellung von zentralen Orten unterschiedlicher Hierarchiestufen tägliches Brot der Regionalplanung, aber aktuelle räumlich differenziert verlaufende Prozesse von Wachstum, Stagnation und Schrumpfung konsumentenorientierter Dienstleistungen können die Ansätze nur teilweise erklären. Insofern ist die Auseinandersetzung mit diesem Themenfeld - wie es diese Arbeit beabsichtigt - einerseits mutig und andererseits besteht aber durchaus auch ein Bedarf, "Bausteine zur Verbesserung von Messverfahren zentralörtlicher Phänomene" (S. 2) zu entwickeln.

Roman Stani-Fertl: Exonyme und Kartographie. Weltweites Register deutscher geographischer Namen, klassifiziert nach Gebräuchlichkeit, und ihrer ortsüblichen Entsprechungen. Wien 2001 (Wiener Schriften zur Geographie und Kartographie 14). 365 S.

Das Werk "Exonyme und Kartographie" stellt eine Handreichung für die Verwendung von Toponymen in fremdsprachiger (= exonymer) Namensform (hier des deutschen Sprachraums) versus den Eigennamen in der Amtssprache (Endonym) nicht nur in der Kartographie dar.

Johannes Wirths: Geographie als Sozialwissenschaft!? Über Theorie: Probleme in der jüngeren deutschsprachigen Humangeographie. 361 S. . Kassel 2001 (Urbs et Regio 72). 361 S.

Nach längerer Zeit liegt mit der bei HANS BÖHM erstellten Dissertation von JOHANNES WIRTHS wieder einmal ein theoretisch anspruchsvolles Werk über das humangeographische Paradigma vor. Es stellt die Frage, was denn aus dem Anspruch der Humangeographie, eine moderne Sozialwissenschaft zu werden, nach dreißig Jahren Diskurs geworden ist. Der umfassende
theoretische Anspruch schlägt sich zunächst einmal in einem weiten Theoriebegriff nieder, der den kritisch-rationalen übersteigt und den Blickwinkel für neue Aspekte des Diskurses öffnet.

Geopolitik: Zur Ideologiekritik politischer Raumkonzepte. Wien 2001 (Kritische Geographie 14). 239 S.

Das Wort Geopolitik fristete nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs insbesondere im deutschen Sprachgebrauch lange ein Schattendasein. Mittlerweile ist es jedoch (wieder) zu einem magischen Wort geworden, das ganz unterschiedliche Realitäten gleichsam herbeizuzaubern vermag. Sei es die Legitimität militärischer Auslandseinsätze aufgrund geopolitisch motivierter "ethnischer Konflikte", sei es die Notwendigkeit der Schaffung eines "Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten", in dessen gedachter Mitte ein geopolitisch evidentes "Kerneuropa" steht, oder sei es (nach wie vor) die Schicksalhaftigkeit "unserer" geopolitisch unhintergehbaren "Mittellage", die "uns", wie der ehemalige Bundespräsident RICHARD VON WEIZSÄCKER in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 14.3.1992 schreibt, "nach 1914 in zwei Weltkriege geführt hat": die Legitimität, die Notwendigkeit oder die Schicksalhaftigkeit, zumindest aber die Faktizität all dieser Sachverhalte kann mittels ihrer Ausweisung als geopolitisch herbeigezaubert werden.

Julia Lossau: Die Politik der Verortung. Eine Postkoloniale Reise zu einer ANDEREN Geographie der Welt. Bielefeld 2002. 227 S.

JULIA LOSSAUS "Politik der Verortung" führt den Leser auf eine "postkoloniale Reise zu einer ,ANDEREN' Geographie der Welt". Dieser Weg beginnt mit einer theoretisch kenntnisreichen und tiefgründigen, dabei gleichzeitig sprachlich ausgesprochen gut lesbaren Einführung in die konzeptionellen Grundperspektiven postkolonialen Denkens in den Kulturwissenschaften.

Reto Solvia: Der Naturschutz in Nepal. Eine akteurorientierte Untersuchung aus der Sicht der Politischen Ökologie. Münster 2002 (Kultur, Gesellschaft, Umwelt 5). 468 S.

The volume researches environmental protection in Nepal from a political ecology perspective. Though Nepal has one of the highest biodiversities in the world, it is still one of the least developed countries.

Marcus Knupp: Wochenmärkte im Jemen. Ein traditionelles Versorgungssystem als Indikator gesellschaftlichen Wandels. Köln 2001 (Kölner Geographische Arbeiten 75). 152 S.

Die ökonomische Situation des Jemen hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Neben den Problemen, die die Wiedervereinigung mit sich brachte, wirkte vor allem die Ausweisung der meisten jemenitischen Gastarbeiter aus Saudi-Arabien während des Golfkrieges und das damit verbundene Ausbleiben von Geldtransfers aus dem Ausland verheerend. Auch die Aufnahme einer eigenen Erdölförderung im Jemen vermochte daran nur wenig zu ändern. Es gehört daher zu den besonders spannenden wirtschaftsgeographischen Fragen, zu untersuchen, wie der Handel allgemein und insbesondere der des informellen Sektors der Wochenmärkte auf die neuen Rahmenbedingungen reagierte. Die vorgelegte Studie geht allerdings über den Fokus der Wochenmarktstrukturen weit hinaus und untersucht, inwieweit Wochenmarktsysteme als Indikator für allgemeine gesellschaftliche Veränderungsprozesse operationalisiert werden können. Dem immer aktuellen Zusammenspiel von Beharrung und Wandel wird dabei besondere Aufmerksamkeit zuteil.

Uwe Pfullmann: Politische Strategien Ibn Sacuds beim Aufbau des dritten saudischen Staates. Eine historische Studie unter besonderer Berücksichtigung deutschen Archivmaterials. Frankfurt a. M., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien 1996 (Leipziger Beiträge zur Orientforschung 8).

Es gibt Bücher, mit deren Lektüre man am Ende beginnen sollte. Das hervorragende Werk von PFULLMANN über die politischen Veränderungen auf der Arabischen Halbinsel während des 19. und 20. Jahrhunderts gehört zweifellos dazu. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Zum einen muss der akribisch recherchierte und mit vielfachen Quellenhinweisen versehene Detailreichtum der ersten Kapitel auf eine breitere Leserschaft - die weniger intensiv als der Autor mit der Regional- und Herrscherfamiliengeschichte Arabiens vertraut ist - zunächst verwirrend wirken; zum anderen fasst das letzte und kürzeste von insgesamt sieben Hauptkapiteln die wichtigsten Punkte der vorangegangenen Abschnitte prägnant zusammen.

Klaus Brake, Jens S. Dangschat, Günter Herfert (Hg.): Suburbanisierung in Deutschland. Aktuelle Tendenzen. - Opladen 2001. 284 S.

Die Veränderung der Stadträume in Deutschland ist in den vergangenen Jahren immer wieder unter neuen populären Stichworten abgehandelt worden, so wurde die "Zwischenstadt" entdeckt, "Postsuburbia" beschworen oder gar das "Verschwinden der Stadt" postuliert. Zwar gelang es damit, die Aufmerksamkeit auf die stadtregionalen Prozesse zu lenken, doch kamen die meisten Ansätze über eine Beschreibung von Einzelphänomenen und Teilaspekten des Ausbreitens der Städte in ihr Umland nicht hinaus. Ein aktueller und zugleich umfassender Überblick über die verschiedenen funktionalen Aspekte des Suburbanisierungsprozesses und eine Berücksichtigung unterschiedlicher räumlicher wie politischer Grundvoraussetzungen für die Suburbanisierung in Deutschland nach der Wiedervereinigung fehlte dagegen bislang. Diesem Missstand rückt nun das hier vorzustellende Buch - und um das Urteil vorwegzunehmen: fundiert - zu Leibe.

Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland (Hg. Institut für Länderkunde, Leipzig). Band 4: Bevölkerung (Hg. Paul Gans und Franz-Josef Kemper). Heidelberg, Berlin 2001. 164 S.

Wenige Monate bevor mit der Einführung der Euro-Zahlungsmittel der Fortschritt der europäischen Einigung sich in den Portemonnaies der Individuen materialisiert hat, ist mit dem Band "Bevölkerung" der vierte von insgesamt 12 geplanten Teilen eines Nationalatlas "Bundesrepublik Deutschland" erschienen, herausgegeben vom Institut für Länderkunde (Leipzig) und konzipiert als Ausweis der Fähigkeit der deutschen Geographie, regionale Differenzierungen zahlreicher Sachverhalte auch einem nicht-akademischen Publikum zu vermitteln.